IMI-Standpunkt 2025/047

Hiroshima mahnt!

Genau jetzt muss politisch etwas gegen Atomwaffen und Atomwaffen-Infrastruktur in Deutschland getan werden

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 7. August 2025

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Am 6. August 2025 war der 80. Jahrestag des Atombombenabwurfs von Hiroshima. Am 6. August 1945 wurde ein Inferno durch us-amerikanische Bomber in Hiroshima / Japan ausgelöst, und drei Tage später, als die Folgen des Atombombenabwurfs schon offensichtlich waren, wurde vom US-Präsidenten erneut befohlen, eine Atombombe über Nagasaki abzuwerfen, erneut ein Inferno, ein Massenmord mit Hunderttausenden von Toten. Hunderttausende starben durch den Einsatz der Atombombe qualvoll direkt oder Jahre später an Spätfolgen. Weltweit wurde nun den Hunderttausenden von Toten gedacht. Leider findet sich in der Berichterstattung über den 6. August wenig darüber, dass die Frage von Atomwaffen gerade hier in der Bundesrepublik genau jetzt auf der Tagesordnung steht, und das mit einer ganzen Reihe von Punkten. Das Tabu „Atomwaffeneinsatz“ stehe unter Druck, so sagte es Jørgen Watne Frydnes, der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 2024 an die japanische Gruppe Nihon Hidankyo von Hiroshima- und Nagasaki-Überlebenden. [1] Warum der Atomwaffeneinsatz trotz bevorstehender Kapitulation Japans trotzdem erfolgte, erklärt der Historiker Takuma Melber sehr eindrücklich: Auf die Frage: „Die Atombombe „Little Boy“, die Hiroshima am 6. August 1945 traf, hatte eine Ladung aus Uran, die drei Tage später über Nagasaki abgeworfene „Fat Man“ basierte auf Plutonium?“ sagt Melber: „So ist es. In der Öffentlichkeit wird immer eine direkte Verbindung vom sogenannten Trinity-Test am 16. Juli 1945 in New Mexico – der ersten Kernwaffenexplosion überhaupt – zu Hiroshima gezogen. Aber das ist eigentlich falsch. Der Trinity-Test war vielmehr ein Vorspiel für Nagasaki. Die Atombombe auf Hiroshima war, wenn man so möchte, ein riesengroßer Test für die Funktionsweise einer auf Uran basierenden Kernwaffe.“ [2]

Um was geht es hierzulande? Im rheinlandpfälzischen Büchel lagern 10-20 US-amerikanische Atomwaffen. Absurderweise wird das offiziell immer noch nicht bestätigt. Die Trägersysteme sind bisher Bundeswehr-Tornados, an denen die US-Atomwaffen ins Ziel geflogen werden sollen. Das Ganze nennt sich „nukleare Teilhabe“. Die NATO hat in ihrer Doktrin den Ersteinsatz von Atomwaffen explizit nicht ausgeschlossen. Die NATO ist auch ein Nuklearbündnis, ein Atomwaffenbündnis. So heißt es im Punkt 8 der gültigen „Deterrence and Defence Posture Review“ vom 20.05.2012: „Nuklearwaffen sind neben konventionellen und Raketenabwehrkräften ein Kernbestandteil der allgemeinen Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der NATO. Die Überprüfung hat gezeigt, dass das nukleare Streitkräftedispositiv des Bündnisses derzeit die Kriterien für ein wirksames Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv erfüllt.“ [3]

Wer also für die NATO ist, ist für diese atomare Komponente der NATO. Die NATO übt regelmäßig den Atomwaffeneinsatz, das wichtigste davon heißt Steadfast Noon [4]: „Zum Übungsszenario und zu Details macht die Nato keine Angaben. Nach Angaben von Militärexperten wird bei den regelmäßig im Oktober stattfindenden Manövern geübt, wie man die US-Atomwaffen sicher aus unterirdischen Magazinen zu den Flugzeugen transportiert und unter die Kampfjets montiert.“ [5] Ein zentrales NATO-Manöver im Kontext der Atomwaffen heißt Steadfast Noon. [5] Die Bundesrepublik hat somit ein Mitverfügungsrecht über die Atomwaffen, die in Büchel stationiert sind. Die „nukleare Teilhabe“ ist Teil der NATO-Doktrin. Deutschland nimmt am Atomwaffenprogramm der NATO teil. Die „nukleare Teilhabe“ hat zwei Komponenten: Die Mitarbeit in der „Nuklearen Planungsgruppe der NATO“ und die Stationierung von 10-20 US-Atomwaffen im rheinlandpfälzischen Büchel, geflogen von Bundeswehrpiloten. Bisher unterzeichnet diese und die vorherige Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag nicht. Warum? Weil sie die Atomwaffenkomponente der NATO und die „nukleare Teilhabe“ beibehalten wollen.

Und jetzt kommt’s: Der Fliegerhorst Büchel wird derzeit für die Neustationierung neuer Trägersysteme für die US-Atomwaffen aus- und umgebaut. Dabei gibt es eine heftige Kostenexplosion. „Ursprünglich schätzte man die Kosten für den Umbau des Flugplatzes auf rund 700 Millionen Euro, das Projekt verteuerte sich dann bereits vor einiger Zeit auf 1,2 Milliarden Euro. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums den abermaligen Kostenanstieg um rund 800 Millionen Euro. Zudem könnten die ‚extrem ambitionierten zeitlichen Vorgaben‘ – der Flugplatz soll bis 2027 fertiggestellt werden – womöglich zu weiteren Mehrkosten führen, wenn beispielsweise zusätzliches Personal benötigt würde. Die Kalkulation könne ‚aufgrund der besonderen Herausforderungen des Vorhabens keinen abschließenden Festpreis darstellen‘, teilte die Sprecherin demnach mit. Grund für die Verteuerung sind den Berichten zufolge nicht nur gestiegene Personalkosten zur Beschleunigung des Projekts. Auch aufwendige Höhenarbeiten, höhere Materialkosten sowie ‚Besonderheiten im Baufeld‘ hätten zu der Erhöhung beigetragen, berichtete das Nachrichtenmagazin ‚Spiegel‘ mit Verweis auf ein vertrauliches Papier des Verteidigungsministeriums. Besonders ins Gewicht sollen außerdem Sicherheitsanweisungen der USA fallen.“, so die Rheinische Post am 31. Juli 2025 [6] Es geht in Büchel inzwischen um Gesamt-Umbaukosten von 2 Milliarden Euro [5], und ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht! Boris Pistorius wird beim SWR beim Besuch des Fliegerhorstes Büchel der für die F-35 überteuert ausgebaut wird, wie folgt zitiert: „Der russische Angriffskrieg und die ständigen russischen nuklearen Drohgebärden zeigen, wie wichtig neben der konventionellen Abschreckung eben auch eine glaubwürdige nukleare Abschreckung bleibt“. [7]

Neue Trägersysteme für die US-Atomwaffen sollen F-35 Kampfflugzeuge werden, Kostenpunkt rund 10 Mrd. Euro. Diese F-35 sollen in den USA gekauft und teilweise mit deutscher Beteiligung durch den Rüstungskonzern Rheinmetall hergestellt werden. Die Produktion bei Rheinmetall in Weeze läuft seit 1. Juli. [8] Auch hier sind Kostenexplosionen des Kaufs und der Herstellung der F-35 absehbar. Die in Deutschland stationierten Atomwaffen werden derzeit „modernisiert“, sprich alte Atomwaffen werden abgezogen, neue sollen stationiert werden. „Eine neue, lenkbare, „smarte“ Version, die B61-12, wurde entwickelt, um die alten B61-3 und -4 zu ersetzen“, so Xanthe Hall [9]. Geplant ist die Umsetzung bis zum Jahr 2026. Auch deshalb „eilt“ der Ausbau des Fliegerhorstes Büchel so. Also nochmal im Klartext: In Büchel sollen neue Atomwaffen auf neuen Trägersystemen (F-35) stationiert werden.

Sogar die Rufe nach deutschen Atomwaffen werden immer lauter, vorrangig wird derzeit aber „nur“ über „europäische Atomwaffen“ diskutiert. In der EU aber auch mit Großbritannien wird diskutiert, Deutschland an den Atomwaffen Frankreichs und Großbritanniens teilhaben zu lassen. „Europäische Partner könnten laut Macron an Übungen der französischen Atomtruppen beteiligt werden. … Auch könnte Frankreich europäische Bomber mit französischen Atomwaffen bestücken… Französische Jagdbomber könnten zudem entlang der EU-Grenzen patrouillieren, wie es auch die amerikanischen B52 regelmäßig tun. Außerdem könnten Frankreichs strategische Luftstreitkräfte trainieren, auf Flughäfen in anderen Ländern zu starten und zu landen…. Aus französischer Sicht müssten die Waffen aber unter strikter französischer Kontrolle bleiben und ihre Lagerorte von französischen Streitkräften geschützt werden.“ Und Großbritannien stationiert derzeit wieder us-amerikanische Atomwaffen bei sich, geflogen werden sollen sie auch mit gekauften F-35. [9]

Damit sind die notwendigen Forderungen klar: Keine Atomwaffen, weder zur Abschreckung noch für einen möglichen Einsatz. Notwendig sind: Aufklärung der Bevölkerung über Atomwaffen an sich und die Stationierung und „Modernisierung“ der Atomwaffen in Deutschland (in Büchel). Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages durch die Bundesregierung! Abzug der Atomwaffen aus Deutschland und ihre Vernichtung. Ende der nuklearen Teilhabe Deutschlands. Stopp des Ausbaus des Fliegerhorstes Büchel. Keine Anschaffung des Kampfflugzeuges F-35, das F-35 soll das neue Trägersystem für die neuen Atomwaffen werden.

Eigentlich ist es offensichtlich: Wer diese Forderungen nicht vertritt, will die „modernisierten“ Atomwaffen mit dem neuen Trägersystem F-35 in Büchel. Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD steht hinter dieser Atomwaffen-Aufrüstung, genauso wie die Vorgängerregierung der Ampel. Wir müssen alles dafür tun, dass es nicht zu dieser Neustationierung der Atomwaffen und F-35 kommt! Hiroshima mahnt, genau jetzt politisch etwas gegen Atomwaffen und Atomwaffen-Infrastruktur mit der Stationierung von F-35 in Büchel zu tun.

[1] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/friedensnobelpreis-194.html
[2] https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/wissen/geschichte/id_100841806/atombomben-auf-japan-historiker-melber-erklaert-motive-der-usa.html
[3] https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_87597.htm
[4] https://www.deutschlandfunk.de/nato-beginnt-uebung-fuer-ernstfall-mit-atomwaffen-102.html
[5] https://www.spiegel.de/ausland/steadfast-noon-nato-kuendigt-verteidigungsuebung-mit-atomwaffen-an-a-84bc3642-ea6d-4628-8169-c40135308698
[6] https://rp-online.de/politik/deutschland/buechel-opposition-kritisiert-mehrkosten-bei-umbau-des-fliegerhorst_aid-132123117
[7] https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/fliegerhorst-buechel-bundeswehr-atomwaffen-besuch-verteidigungsminister-pistorius-100.html
[8] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/rheinmetall-eroeffnet-neues-werk-fuer-tarnkappenbomber-in-weeze-a-def37aef-7a7d-44d1-9a9d-cee56a08b615
[9] https://www.imi-online.de/2024/12/03/nukleare-teilhabe/
[10] https://www.nzz.ch/international/die-usa-stationieren-wieder-atomwaffen-auf-britischem-boden-ld.1894822 bzw. https://archive.ph/Q9muq4